Kieferorthopädie: Was ist das?

Die Kieferorthopädie ist ein Teilbereich der Zahnmedizin. Sie umfasst die Diagnose und Behandlung von Fehlstellungen der Zähne oder Kiefer. Dabei geht es allerdings nicht in erster Linie um ästhetische Korrekturen, sondern darum, dass das Gebiss voll funktionstüchtig wird, ist oder bleibt, die Zahnreihen also optimal zusammenpassen.

Wer Kieferorthopädie demnach mit einem Schönheitseingriff gleichsetzt, greift zu kurz. Viel zu kurz. Die Kieferorthopädie hat vielmehr die Aufgabe, für eine optimale Funktion von Kiefer und Zähnen zu sorgen, für eine optimale Kaufunktion. Die ist gegeben, wenn alle Zähne gerade und dort stehen, wo sie hingehören, wenn sie perfekt aufeinander beißen und die Rundung des Zahnbogens passt. 

Dass ein solcher Biss dann auch noch schön aussieht, ist eine – durchaus gewünschte – Nebenwirkung der Kieferorthopädie. Sie sorgt also für den optimalen Biss und ein schönes Lächeln gleichermaßen. 

Zwar können in Italien alle Zahnärzte Behandlungen mit Spangen durchführen, am besten wendet man sich aber an einen Fachzahnarzt für Kieferorthopädie. Er muss nach Abschluss seines Studiums der Zahnmedizin eine zusätzliche dreijährige Vollzeitausbildung absolvieren, in der er sich ausschließlich mit kieferorthopädischen Fällen beschäftigt. Und danach gilt es, sich stetig mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen vertraut und sich ein Bild vom Entwicklungsstand der Technik zu machen.

Was tun bei Fehlstellungen?

Die Ursachen für [Zahn- oder Kieferfehlstellungen] werden in zwei Kategorien unterteilt. So gibt es erblich bedingte, also angeborene Fehlentwicklungen sowie erworbene Fehlstellungen, solche also, die durch schädliche Angewohnheiten ausgelöst werden. Dazu zählen in erster Linie ein zu langer Gebrauch des Schnullers (über das dritte Lebensjahr hinaus), Daumenlutschen oder eine ausgeprägte Mundatmung (meist aufgrund von Allergien oder chronischen Naseninfekten). 

Unabhängig von der Ursache sollten Fehlstellungen der Zähne und Kiefer behandelt werden, und zwar nicht nur – aber durchaus auch – aus ästhetischen Gründen. Schließlich sind eng stehende oder schiefe Zähne, eine Rücklage oder ein Vorbiss weder besonders schön, noch sind sie gesund, können sie doch zu Fehlbelastungen einzelner Zähne und zu Kiefergelenksbeschwerden führen. 

Durch die Behandlung werden demnach nicht nur Fehlstellungen behoben, sondern auch Beeinträchtigungen von Ästhetik und Funktion des Gebisses. Oder anders: Der Biss verursacht nach der Behandlung keine Beschwerden mehr und die Mundpartie sieht einfach schöner aus.

Wann zur ersten Visite, wann behandeln?

Grundsätzlich gilt: Je früher eine Fehlstellung erkannt wird, desto besser lässt sich ein optimaler Behandlungsbeginn festlegen und man kann sicher sein, diesen nicht zu versäumen. Demnach raten wir Eltern, mit ihren Kindern ab dem fünften Lebensjahr zur Kontrolle zu kommen.

In diesem Alter können die häufigsten Fehlstellungen bereits erkannt werden. Dazu gehören der [Kreuzbiss], der [Vorbiss], der [offene Biss] oder auch ein [Engstand].

Der Kieferorthopäde wird bei der ersten Visite also beurteilen, ob eine solche Fehlstellung vorliegt und wann der günstigste Zeitpunkt für eine Behandlung gekommen ist. Dieser hängt wiederum vom Alter und der körperlichen Entwicklung genauso ab, wie von Art und Ausmaß der Fehlstellung und der Geschwindigkeit des Zahnwechsels. 

Als Faustregel kann gelten, dass kieferorthopädische Behandlungen innerhalb des Wachstumsschubs in der Pubertät erfolgen sollten. In diesen ein bis zwei Jahren schießen die Jugendlichen 10 bis 15 Zentimeter in die Höhe und der gesamte Körperbau nähert sich dem an, der sie auch im Erwachsenenalter begleiten wird. Mädchen sind dabei meist zwischen 11 und 13 Jahre alt, Buben zwischen 13 und 15 – allerdings sind das nur allgemeine Richtwerte.

Einige Fehlstellungen sollten dagegen schon früher angegangen werden, etwa ein [Kreuzbiss] oder ein extremer Platzmangel. Um das Wachstum des Kiefers zu harmonisieren und den bleibenden Zähnen ein Durchbrechen zu ermöglichen, wird in solchen Fällen eine Vorbehandlung mit meist einfachen Geräten durchgeführt.

Ist eine kieferorthopädische Behandlung bei Erwachsenen sinnvoll?

Hand aufs Herz: Hört man den Begriff „Spange“, denkt man unweigerlich an Jugendliche, höchstens noch an Kinder. Aber an Erwachsene? Diese Assoziation führt dazu, dass viele daran zweifeln, ob auch Erwachsene von einer kieferorthopädischen Behandlung profitieren können. Dabei ist das durchaus der Fall.

Einen großen Unterschied gibt es allerdings. Nachdem bei Kindern und Jugendlichen die Kiefer noch wachsen, kann man dies ausnutzen, um Fehlstellungen zu korrigieren. Man nutzt demnach den Wachstumsprozess, um beispielsweise die Stellung von Ober- und Unterkiefer zu verändern. Das ist bei erwachsenen Patienten nicht mehr möglich. Eine Korrektur kann nach Abschluss des Wachstumsprozesses nur durch einen kieferchirurgischen Eingriff vorgenommen werden.

Anders liegt die Sachlage, wenn es darum geht, Zähne mit einer kieferorthopädischen Apparatur zu begradigen. Das funktioniert bei Erwachsenen genauso wie bei Jugendlichen. Bevor eine solche Behandlung allerdings angegangen wird, müssen Entzündungen des Zahnfleisches (Gingivitis) oder des Zahnhalteapparats (Parodontitis) ausgeschlossen werden. Auch dürfen die Zähne keine Karies aufweisen. Liegt eine dieser Einschränkungen vor, sind zuerst der Hauszahnarzt oder ein spezialisierter Fachzahnarzt gefragt, sodass das Gebiss saniert werden kann, bevor die kieferorthopädische Behandlung startet.

Wie wird die Behandlungsmethode festgelegt?

Jede kieferorthopädische Behandlung startet mit einer umfassenden Diagnose. Es geht demnach darum, den aktuellen Zustand zu erfassen und zu dokumentieren, damit auf der Basis dieser „Bestandsaufnahme“ ein Behandlungsplan erarbeitet werden kann.

Wie aber erfasst man den aktuellen Zustand von Kiefer und Zähnen? Dafür gibt es eine Reihe von Methoden, die allesamt ineinandergreifen. So schießt man standardisierte Fotos von Gesicht und Zähnen, etwa um die Auswirkungen einer Kieferfehlstellung auf Gesichtssymmetrie oder -profil zu dokumentieren. Angefertigt werden zudem Abdrücke und Gipsmodelle des Ober- und Unterkiefers, damit Zähne und Kiefer dreidimensional vermessen werden können. Ein Panoramaröntgenbild der Zähne gibt Aufschluss darüber, ob einer oder mehrere Zähne nicht angelegt sind, wie die Zähne geformt sind, wie die Zahnwurzeln im Kiefer liegen, ob Weisheitszähne vorhanden sind und ob möglicherweise Zähne wegen Platzmangels nicht herauswachsen können. Und schließlich wird der Schädel noch von der Seite geröntgt, um zu zeigen, wie die Zähne zum Kiefer geneigt sind.

All diese Unterlagen dienen nicht nur der Dokumentation und später der Messung des Behandlungsfortschritts, sie werden auch herangezogen, um den Patienten – bei Kindern und Jugendlichen natürlich auch deren Eltern – die Maßnahmen zur Behandlung eingehend und anschaulich zu erläutern. In diesem Gespräch geht’s nicht nur um die Diagnose und die angedachte Behandlung, es werden vielmehr auch mögliche Alternativen aufgezeigt. Und genügend Zeit, um noch offene Fragen zu beantworten und Zweifel auszuräumen, nehmen wir uns natürlich auch. 

Die allermeisten Unterlagen liegen übrigens in digitaler Form vor. Das macht es einfach, sie auch für den Hauszahnarzt oder andere Fachärzte verfügbar zu machen. Und sollte der Patient sie für sein persönliches Archiv brauchen, ist das auch kein Problem.

Wie lange dauert eine Behandlung?

Allgemeine Aussagen über die Dauer einer Behandlung zu treffen, ist naturgemäß schwierig. Schließlich sind Zahn- und Kieferfehlstellungen so verschieden, wie die Patienten selbst. Allerdings gilt eine logische Faustregel, die besagt, dass eine Behandlung umso länger dauert, je komplizierter die Fehlstellung ist.

Klingt nach Binsenweisheit, ist aber wohl die einzig vernünftige allgemeine Auskunft zur Dauer der Behandlung. Es ist aber ganz sicher nicht die Antwort, mit der Patienten abgespeist werden. Im konkreten Fall – sprich: nach einer ersten Untersuchung – lässt sich abschätzen, wie lange die aktive Behandlung dauert. 

„Aktive Behandlung“ deshalb, weil nach deren Abschluss das Behandlungsergebnis stabilisiert werden muss. Man spricht dann von Retentionsbehandlung.

Einmal behandelt, immer stabil?

Hat man die Fehlstellung von Zähnen oder Kiefer einmal behoben, wird die aktive Behandlung abgeschlossen. Aber heißt das auch, dass die Zähne dann für immer so bleiben? Die Antwort lautet nein und der Grund dafür liegt in den Veränderungen, die der ganze Körper im Laufe der Zeit durchmacht. Zähne etwa werden abgenutzt und meist leicht nach vorne geschoben, der Abstand zwischen den Eckzähnen verringert sich.

Solchen Verschiebungen kann allerdings vorgebeugt und die Zähne in ihrer (neuen) Position gehalten werden, und zwar mit einer Retentionsbehandlung. Heißt im Klartext: zumindest die Frontzähne im Unterkiefer werden mit einem Draht („Retainer“) stabilisiert, der innen von Eckzahn zu Eckzahn aufgeklebt wird. In manchen Fällen kommt auch eine herausnehmbare Retentionsspange zum Einsatz.

Tut eine Spange weh oder schädigt sie meine Zähne?

Das Eingliedern einer Spange ist ein kieferorthopädischer Eingriff, der glücklicherweise keine großen Schmerzen verursacht. Meist sind es nur die ersten Tage nach dem Eingliedern oder nach einem Nachstellen, an denen der von der Zahnspange ausgeübte Druck als störend empfunden wird. Danach gewöhnen sich die Patienten relativ schnell an die Brackets, die Beeinträchtigungen verschwinden in fast allen Fällen gänzlich.

Und noch eine gute Nachricht: Eine Spange schädigt die Zähne nicht, sie löst weder Karies noch Entzündungen aus. Voraussetzung ist allerdings, dass die Zähne regelmäßig und gründlich geputzt werden. Damit verhindert man, dass Beläge an den Zähnen haften bleiben, die wiederum als Hauptursache von Karies gelten.

Karies vorzubeugen heißt demnach (auch) für die Träger festsitzender Spangen: nach den Hauptmahlzeiten, also dreimal täglich, sollten die Zähne gründlich geputzt werden. Abends sollten zudem die Zahnzwischenräume gereinigt werden, etwa mit Zahnseide oder einem Interdentalbürstchen. Wie das am besten vonstatten geht, wird dem Patienten nach dem Einsetzen der Spange ausführlich erklärt.

Neben dem Putzen gilt das Einhalten regelmäßiger Kontrolltermine beim Kieferorthopäden als wichtigster Schutz vor Zahnschäden. Alle vier bis acht Wochen wird bei diesen Terminen nicht nur die Wirkung der Spange überprüft, sondern auch die Mundhygiene. Denn auch hier gilt: vorbeugen ist besser als heilen.

Muss eine Spange sichtbar sein?

Die Antwort darauf ist: Im Normalfall ja. In den meisten Fällen werden die Brackets auf der Zahnvorderseite aufgeklebt, und zwar Zahn für Zahn. Damit ist die Spange natürlich auch sichtbar, allerdings sind Brackets heute klein und ästhetisch ansprechend, sodass sie keine nennenswerte Beeinträchtigung des Aussehens mit sich bringen.

Noch weniger sichtbar oder besser: nahezu unsichtbar sind zudem die [Invisalignschienen] (www.invisalign.de) (siehe nächsten Punkt), die eine Alternative zu klassischen Brackets sein können. „Können“, weil sie nicht immer die richtige Lösung sind. Ob sie in Frage kommen oder nicht, wird im Gespräch mit uns abgeklärt.

Selbiges gilt für Brackets, die auf besonderen Wunsch hin auf der Zahninnenseite angebracht werden können. Die so genannte Lingualbehandlung erfolgt bei uns nach dem aus Deutschland stammenden Inkognitosystem (www.lingualtechnik.de), bei dem extrem dünne, individuell für den jeweiligen Patienten gegossene Brackets zur Anwendung kommen.

Wie wirken sich Zahnfleischprobleme auf die Kieferorthopädie aus?

Zahnfleischprobleme oder besser: Zahnfleischentzündungen schließen eine kieferorthopädische Behandlung aus. Das heißt, dass zuerst die Entzündung vollständig beseitigt werden muss, bevor ein kieferorthopädischer Eingriff erfolgen kann.

Bevor also der Kieferorthopäde mit seiner Arbeit beginnen kann, sind Hauszahnarzt oder Parodontologe an der Reihe. Sie bringen dem Patienten nicht nur die richtige Mundhygienetechnik bei, sondern reinigen dessen Zähne auch professionell, entfernen Beläge aus den Zahnfleischtaschen (Kürettage) und rücken so der Ursache der Entzündung zu Leibe. Gleichzeitig wird diese mit Antibiotika bekämpft.

Hat diese Behandlung Erfolg, kann die kieferorthopädische folgen. Gleichzeitig muss ein an Parodontitis erkrankter Patient aber ganz besonders auf seine Mundhygiene achten und alle zwei bis drei Monate seinen Hauszahnarzt aufsuchen, der alle notwendigen Kontrollen durchführt.

Wann muss operiert werden?

Sind die Fehlstellungen sehr ausgeprägt, stößt die kieferorthopädische Behandlung an ihre Grenzen. In solchen Fällen muss die Fehlstellung kieferchirurgisch korrigiert werden, wobei Kieferchirurgie und Kieferorthopädie Hand in Hand gehen. Die Behandlung wird demnach eine kombinierte sein. 

Anders als in der Kieferorthopädie wartet man für eine kieferchirurgische Behandlung allerdings das Ende der Wachstumsphase ab. Dieses ist individuell verschieden, als Richtwert gilt aber ein Alter von 17 Jahren bei Frauen und 19 Jahren bei Männern.

Wann müssen Weisheitszähne entfernt werden?

32 Zähne umfasst ein vollständiges Gebiss. Kurios ist allerdings, dass nur wenige Menschen für all diese Zähne auch genügend Platz in ihrem Kiefer haben. Die Ursache dafür liegt in unserer Entwicklung: Seit Jahrhunderten geht die Kiefergröße der Menschen nämlich zurück, die Anzahl der Zähne aber nicht, sodass heute die allermeisten Menschen gerade einmal ausreichend Platz für 28 Zähne in ihrem Kiefer haben: vier zu wenig…

Die „Leidtragenden“ dieser Entwicklung sind die Weisheitszähne, weil sie jene Zähne sind, die normalerweise als letzte durchbrechen. Dieser Durchbruch sollte sehr genau von einem Kieferorthopäden überwacht werden, damit es nicht zu einem [Engstand] kommt – im Klartext: zu schiefen Zähnen. „Überwachen“ heißt dabei: Es wird alle sechs bis zwölf Monate kontrolliert (etwa mit einem Panoramaröntgenbild), ob die Weisheitszähne störungsfrei durchbrechen können. Ist dies nicht der Fall, müssen sie extrahiert, also entfernt werden.

Was tun bei Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten?

Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten (LKGS) gehören zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. Sie werden in mehreren Schritten behandelt. So sollte bereits im zweiten oder dritten Kindergartenjahr eine Erstvisite erfolgen. Dabei wird festgestellt, ob ein [Kreuzbiss] vorhanden ist und dieser gegebenenfalls korrigiert. 

Der zweite Behandlungsschritt folgt meist im Alter von zehn bis elf Jahren. Dann muss gemeinsam mit dem behandelnden Chirurgenteam der optimale Zeitpunkt für die so genannte „sekundäre Osteoplastik“ festgelegt werden. Dabei wird der Spalt durch ein Knochentransplantat aufgefüllt, was auch den neben dem Spalt liegenden Zähnen einen problemlosen Durchbruch ermöglicht.

Nach dem Zahnwechsel wird ein kieferorthopädischer Eingriff mit einer festsitzenden Apparatur folgen. Dadurch sollen eventuelle Lücken geschlossen und auch ästhetisch ein optimales Ergebnis erreicht werden. Sollte die kieferorthopädische Behandlung nicht den gewünschten Erfolg bringen, muss eventuell nach Abschluss der Wachstumsperiode eine kieferchirurgische Korrektur vorgenommen werden. 

Bei manchen LKGS-Patienten fehlt der obere seitliche Schneidezahn (oder ist unterentwickelt). In solchen Fällen muss abgewogen werden, wie der unterentwickelte oder fehlende Zahn behandelt oder ersetzt werden kann.

LKGS-Behandlungen sind demnach aufwändig, lohnen sich aber, weil das Ergebnis meist ein ansprechendes Lächeln ist. Zudem werden die Kosten von LKGS-Behandlungen in Südtirol vom Land rückvergütet. Wir beraten Sie gerne über den einzuschlagenden Weg.