Zahn- und Kieferfehlstellungen

Kein Gesicht gleicht dem anderen, demnach gleicht also auch kein Kiefer und kein Zahnstand dem anderen. Jeder Patient ist ein ganz eigener Fall, auf den die [Behandlung] individuell abgestimmt wird.

Trotz der individuell verschiedenen Situationen kann man Fehlstellungen von Kiefer und Zähnen beschreiben und auch die Behandlungsart umreißen. Wir haben die häufigsten Fehlstellungen für Sie aufgelistet.

Vorstehende Zähne

Entwickeln sich Ober- und Unterkiefer ungleichmäßig nach vorn oder stehen die oberen Frontzähne vor, kommt es zu einem zu großen Abstand zwischen den Frontzähnen im Ober- und im Unterkiefer. Abgesehen vom nicht korrekten Biss, der sich daraus ergibt, haben Patienten oft auch Probleme, die Lippen spannungsfrei zu schließen.

Daraus kann sich eine ganze Reihe von Problemen ergeben: So wird durch den Mund geatmet oder es treten Atmungsprobleme auf. Symptome können etwa nächtliches Schnarchen oder ungenügende Atmung sein, vor allem bei einer Unterkieferrücklage und bei ungenügender transversaler Entwicklung des Oberkiefers. Darüber hinaus können Sprachprobleme auftauchen (etwa Lispeln) und/oder ästhetische Beeinträchtigungen sichtbar werden. Sollte es zu solchen Problemen kommen, kann eine frühzeitige kieferorthopädische Behandlung notwendig sein. Sie soll in einer ersten Phase dafür sorgen, dass die Lippen wieder spannungsfrei geschlossen werden können und der Biss verbessert wird. Zudem werden durch eine Behandlung auch die Atmungsprobleme beseitigt. 

Parallel zur kieferorthopädischen kann auch eine logopädische (bei Sprach- oder Schluckproblemen) bzw. eine Behandlung beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt (bei ungenügender Atmung durch die Nase oder nächtlichem Schnarchen) notwendig sein.

Vorstehende Zähne

Verlagerte Zähne

Wenn Zähne nicht vollständig aus dem Kiefer herauswachsen (weil sie etwa schief im Kiefer liegen) oder nicht in einer Reihe mit den anderen stehen (z. B. bei einem [Engstand], spricht man von verlagerten Zähnen. Sie können nicht oder nicht vollständig zum Abbeißen und Kauen genutzt werden und verursachen oft auch Probleme, wenn sie etwa auf die Wurzel eines Nachbarzahns drücken.

Um Probleme zu vermeiden, werden verlagerte Zähne in den allermeisten Fällen behandelt, indem der verlagerte Zahn an dessen vorbestimmten Platz in der Zahnreihe „verschoben“ wird. Man spricht dann von einer kieferorthopädischen Einordnung eines verlagerten Zahnes.

Diese Einordnung läuft in drei Schritten ab. In einem ersten wird vom Kieferorthopäden mit einer festsitzenden Apparatur dort ausreichend Platz geschaffen, wo der verlagerte Zahn eigentlich hingehört. Ist dieser Platz geschaffen, wird der Zahn in einem kleinen ambulanten Eingriff freigelegt, bevor der Kieferorthopäde ein Bracket auf den verlagerten Zahn klebt. Mit dessen Hilfe wird er an die richtige Stelle im Zahnbogen gezogen. 

Verlagerte Zähne

Engstand vs. Lückengebiss

Von einem Engstand spricht man dann, wenn die Zähne im Kiefer nicht genug Platz finden. Das ist dann der Fall, wenn der Kiefer zu klein für die Zähne ist oder die Zähne zu groß für den Kiefer. Folge ist, dass die Zähne nicht vollständig herauswachsen, ganz im Kiefer verbleiben oder verdreht werden, also schief stehen.

Je nachdem, wie ausgeprägt ein Engstand ist, hat der Kieferorthopäde mehrere Möglichkeiten zur Behandlung. So gibt es – bei weniger ausgeprägten Engständen – die Möglichkeit, die Zahnbögen so zu denen bzw. zu strecken, dass sie wieder allen Zähnen genügend Platz bieten. Ist der Unterschied zwischen Kiefergröße und Zahnmaterial aber zu groß, müssen Zähne extrahiert, also entfernt werden.

Auf den ersten Blick mag es seltsam erscheinen, dass man gesunde Zähne reißt, um zu verhindern, dass Zähne schief stehen, oder um diese geradezurücken. Allerdings ist diese Art der Behandlung bei rund jedem siebten Patienten die einzig Erfolg versprechende.

Das Lückengebiss ist sozusagen das Gegenstück zum Engstand. In diesem Fall ist der Kiefer zu groß oder – das ist öfter der Fall – die Zähne sind zu klein oder zu schmal, um den Kiefer auszufüllen.

Bei einem Lückengebiss wird mit der kieferorthopädischen Behandlung dafür gesorgt, dass die Lücken so gut es geht geschlossen oder zumindest so verkleinert werden, dass sie danach durch eine Verbreiterung der Zähne beseitigt werden können. Verbreitert werden Zähne mit Hilfe von Kunststoffmaterial (Composite) in der Farbe der Zähne, von aufgeklebten Keramikhaftschalen (Veneers) oder von Keramik- bzw. Zirkonkronen. 

Engstand vs. Lückengebiss

Offener Biss

Wenn zwar die Seitenzähne aufeinander beißen, die Frontzähne aber nicht, entsteht vorne ein „Loch“, das oft ein Abbeißen unmöglich macht und das Kauen erschwert. Man spricht in so einem Fall von einem offenen Biss. 

Ein offener Biss kann erblich bedingt sein, etwa wenn in einem langen Gesicht Ober- und Unterkieferknochen auseinanderklaffen (skelettal offener Biss). Häufiger ist aber ein allzu langes Lutschen an Fingern, Flasche oder Schnuller der Grund, warum es zu einem Vorbiss kommt (dental offener Biss). Sehr viel seltener ist schließlich ein seitlich offener Biss, der bei Störungen des Seitenzahnwechsels entstehen kann.

Ein skelettal offener Biss kann nur mit relativ großem Aufwand behoben werden, während ein dental offener Biss leichter zu behandeln ist, und zwar durch verschiedene kieferorthopädische Apparaturen. Eine Möglichkeit ist etwa eine feste Spange. Der Kieferorthopäde ist außerdem dann gefragt, wenn die Zähne keinen Platz haben, um vertikal durchzubrechen. Dann muss der Kiefer gedehnt oder es müssen Zähne extrahiert werden. Parallel dazu muss den Ursachen (Fingerlutschen, falsches Sprach- oder Schluckmuster, Atmung durch den Mund aufgrund von Hals-Nasen-Ohren-Problemen) zu Leibe gerückt werden, und zwar durch eine logopädische oder eine HNO-Therapie. 

Offener Biss

Kreuzbiss

Im Normalfall sollten die Seitenzähne im Ober- und Unterkiefer so aufeinander beißen, dass deren Höcker und Grübchen ineinander greifen wie ein Zahnrad. Von einem seitlichen Kreuzbiss spricht man dann, wenn die Seitenzähne dies nicht tun, also nicht korrekt aufeinander beißen. Entweder stehen dabei die oberen Seitenzähne zu weit nach innen oder die unteren zu weit nach außen. Ein seitlicher Kopfbiss, eine besondere Form des Kreuzbisses, dagegen liegt dann vor, wenn bei den Seitenzähnen Höcker auf Höcker beißen.

Neben dem seitlichen Kreuz- und Kopfbiss gibt es auch einen frontalen, dann nämlich, wenn die Frontzähne nicht korrekt aufeinander beißen. Bei den Frontzähnen ist der Biss dann korrekt, wenn die Schneidekanten der unteren auf die Innenseite der oberen treffen. Trifft Kante auf Kante, liegt ein frontaler Kopfbiss vor, stehen die unteren Schneidezähne vor den oberen, spricht man von einem frontalen Kreuzbiss.

Für den Kreuzbiss gilt: Er sollte sofort behandelt werden, wenn er erkannt wird, und zwar unabhängig vom Alter des Patienten und auch dann, wenn nur Milchzähne vorhanden sind. „Auswachsen“ kann sich ein Kreuzbiss nämlich nicht und nur durch eine Behandlung kann ein weiteres harmonisches Wachstum der Kiefer unterstützt werden.

Die gute Nachricht ist: Die Behandlung eines Kreuzbisses kann meist nach sechs bis neun Monaten abgeschlossen werden. 

Kreuzbiss

Asymmetrien bei Kiefer und Zähnen

Zähne und Kiefer können sich asymmetrisch entwickeln. Ursachen dafür gibt es im Grunde zwei: skelettale bzw. zahnbedingte. 

Eine skelettale Asymmetrie liegt dann vor, wenn sich Ober- und Unterkiefer nicht gleichmäßig entwickeln. Das führt nicht nur zu einem Fehlbiss, sondern hat meist auch eine ästhetische Beeinträchtigung des Gesichts zur Folge. Sind skelettale Asymmetrien ausgeprägt, können sie rein kieferorthopädisch nicht behandelt werden. In solchen Fällen wird auch ein kieferchirurgischer Eingriff notwendig sein.

Ist die Asymmetrie dagegen zahnbedingt, kann kieferorthopädisch eingegriffen werden. Dentale Asymmetrien entstehen, wenn Zähne von Geburt an, also im genetischen Bauplan fehlen, was bei etwa vier von hundert Menschen der Fall ist. Sie können zudem entstehen, wenn Zähne extrahiert wurden und daraufhin nebenstehende Zähne in diese Lücke wandern. 

Ziel des Kieferorthopäden ist, wieder für Symmetrie zu sorgen, also für die gleiche Zahnanzahl rechts und links. So kann man die entstandenen Lücken kieferorthopädisch so weit öffnen, dass die Symmetrie mit einem Implantat wiederhergestellt werden kann. Oder es wird auch auf der anderen Seite ein Zahn extrahiert. In diesem Fall werden die Lücken danach auf beiden Seiten kieferorthopädisch geschlossen. 

Asymmetrien bei Kiefer und Zähnen

Kiefergelenksbeschwerden

Immer mehr Menschen klagen über Beschwerden im Kiefergelenk. Das Problem dabei ist: mögliche Ursachen gibt es zuhauf. Die Muskeln können etwa stressbedingt überbeansprucht worden sein, Zähneknirschen oder Zähnepressen kommt ebenfalls als Ursache in Frage, dazu Nägelbeißen, eine ungünstige Schlafposition, hormonelle Veränderungen oder Entzündungen. Und schließlich können auch Zahn- und Kieferfehlstellungen, etwa ein Kreuzbiss, zu solchen Beschwerden führen. Die Suche nach dem (oder mitunter auch den) Schuldigen ist deshalb meist eine beschwerliche.

Weil Kiefergelenksbeschwerden multifaktorieller Ursache sind, kann auch nicht mit Sicherheit prognostiziert werden, dass sie durch eine kieferorthopädische Behandlung beseitigt werden. In vielen Fällen aber kann eine kieferorthopädische Behandlung die Schmerzen beseitigen oder zumindest lindern, und zwar schon allein dadurch, dass die Zähne in einer korrekten Position stehen und das Kiefergelenk, das in engem Zusammenhang mit den Zähnen steht, dadurch geschont wird.

Kiefergelenksbeschwerden treten oft zyklisch auf. Es fällt auf, dass sie unter Stress meist stärker werden, während sie – ganz ohne Behandlung – im Urlaub abnehmen. Deshalb setzt man heute auch nicht mehr wie früher auf chirurgische Korrekturen des Kiefergelenks und auch die große Zeit der Behandlung mit Schienen, die nachts die Kiefermuskeln entspannen sollten, ist vorbei. Warum? Ganz einfach: die Erfolgsaussichten lagen bei unter 50 Prozent. 

Kann man keine eindeutige Ursache für die Kiefergelenksbeschwerden erkennen, gibt es deshalb einen einfachen und ganz bestimmt auch nicht den schlechtesten Rat: abwarten! In vielen Fällen bessern sich die Beschwerden nämlich ganz von selbst.